Der erste Schneefall steht bevor und das damit einhergehende Glatteis birgt einige Gefahren, etwa einen Sturz. Aber steht einem automatisch Schmerzensgeld und/oder sonstiger Schadensersatz zu, wenn man etwa bei einer Geschäftsreise vor einem Hotel stürzt? Damit hatte sich kürzlich das Kammergericht Berlin zu beschäftigen (Pressemitteilung des KG Berlin). Im vorliegenden Fall blieb die Klage erfolglos, der Kläger bekam kein Schmerzensgeld.
1. Was ist eigentlich Schmerzensgeld?
Schmerzensgeld ist eine Form des Schadensersatzes. Erleidet jemand einen Schaden, unterscheidet das BGB zwischen dem materiellen Schaden (Vermögensschaden) und dem immateriellen Schaden. Wird etwa durch eine Verletzung die Gesundheit einer Person beeinträchtigt, kennt das Gesetz den Ersatz des körperlichen Schadens in Geld. Geregelt ist dies in § 253 Abs. 2 BGB. Dabei soll die Zahlung nicht nur die Verletzung ausgleichen, sondern auch der Genugtuung für die erlittenen Unannehmlichkeiten dienen. Die Schadenshöhe ist stets eine Frage des Einzelfalls. In der Praxis wird sich jedoch an sogenannten Schmerzensgeldtabellen orientiert.
2. Wann habe ich nach einem glatteisbedingten Sturz einen Anspruch auf Schmerzensgeld?
Um nach einem glatteisbedingten Sturz einen Anspruch auf Schmerzensgeld zu haben, muss eine Verletzung der körperlichen Integrität eingetreten sein, die ursächlich auf der vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Räum- und Streupflicht des anderen beruht. Auf Deutsch, wir benötigen einen Sturz, weil der Hauseigentümer, der Hotelbesitzer oder ein anderer, der verpflichtet war den Weg zu streuen, dies nicht getan hat, und sich der Fußgänger dadurch ein Körperteil gebrochen hat, eine Prellung erlitt oder ähnliches.
Ebenso wichtig, wie das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen, ist die Beweisbarkeit der tatsächlichen Umstände. Die Nichtbeweisbarkeit ist in der Praxis der Hauptgrund, weshalb der Schmerzensgeldanspruch scheitert. So auch im oben erwähnten Fall. Der Kläger blieb beweispflichtig, dass er in dem Bereich gestürzt sei, in dem der Hotelbetreiberin die Räum- und Streupflicht oblag.
Grundsätzlich muss der Geschädigte nicht nur beweisen, dass er gestürzt ist, sondern auch, dass sein Sturz sich in einem Bereich ereignet hat, der durch den Schädiger hätte geräumt oder gestreut werden müssen. Weiterhin muss der Geschädigte beweisen, dass der Schädiger seine Räum- und Streupflicht versäumt hat und er dadurch eine Verletzung erlitten hat, die er nun in Geld entschädigt wissen möchte.
Insbesondere der Nachweis, dass sich der Sturz aufgrund der Glätte ereignet hat und nicht etwa wegen eines Stolperers, kann praktisch kaum gelingen.
Zur Erleichterung der Beweisbarkeit kennt das Zivilprozess deswegen den sog. Anscheinsbeweis. Dieser findet auch im Zusammenhang mit Glatteisunfällen Anwendung. Dies bedeutet, kann bewiesen werden, dass die Räum- und Streupflicht an der Unfallstelle verletzt wurde, nimmt man an, dass die Glätte auch die Ursache des Unfalls gewesen ist. Gegenteiliges muss dann der Schädiger beweisen.
3. Wem obliegt die Räum- und Streupflicht?
Die Räum- und Streupflicht ist eine Verkehrssicherungspflicht. In Berlin regelt das Straßenreinigungsgesetz (StrReinG Bln) die weiteren Einzelheiten. Darin heißt es, dass der Winterdienst die Schneeräumung, das Abstreuen von Winter- und Eisglätte sowie die Beseitigung von Eisbildungen umfasst (§ 1 Abs. 4 StrReinG Bln). Es obliegt den Anliegern einer öffentlichen Straße diese zu räumen und zu streuen. Anlieger sind nach § 5 Abs. 1 StrReinG Bln die Grundstückseigentümer und Inhaber dinglicher Nutzungsrechte (bspw. Erbbauberechtigte, Nießbraucher). Privatstraßen sind von deren Eigentümern zu räumen.
Durchaus üblich ist es, dass der Grundstückseigentümer die Verkehrssicherungspflicht entweder an den Mieter delegiert oder einen Hausmeisterservice mit der Durchführung beauftragt. Dem Mieter wird diese Pflicht in der Regel durch eine entsprechende Klausel im Mietvertrag oder in der Hausordnung auferlegt. Verletzt der Mieter diese Pflicht und ereignet sich infolgedessen ein Unfall, haftet er für die eingetretenen Schäden. Gleiches gilt, wenn das beauftragte Unternehmen seinen Auftrag nicht erfüllt. Der Eigentümer wird durch die Übertragung jedoch nicht gänzlich von seiner Pflicht frei. Ihn trifft nach wie vor eine sogenannte Überwachungspflicht, das heißt, er muss kontrollieren, dass der Mieter seiner Verpflichtung auch tatsächlich nachkommt. Tut er dies nicht und kommt es zu einem glatteisbedingten Sturz, kann durchaus auch der Eigentümer in Regress genommen werden.
4. Wo und wann besteht die Räum- und Streupflicht?
Die zum Grundstück gehörenden Gehwege der öffentlichen Straße sind zu räumen. Dabei ist der Winterdienst, je nach Straßenreinigungsklasse in einer Mindestbreite von 1 Meter bzw. 1,5 Metern und bei Gehwegen mit einer geringeren Breite als 1,5 Meter in der Gesamtbreite durchzuführen. Zu beachten ist, dass Hydranten sowie die Zugänge zu Fernsprechzellen, Notrufsäulen, Aufzügen, Briefkästen und Parkautomaten ebenfalls von Schnee und Eis freizumachen sind. Nicht gestattet ist es Auftaumittel, wie etwa Salz, zu verwenden (§ 3 Abs. 8 StrReinG Bln).
§ 3 Abs. 1 StrReinG Bln regelt, dass der Gehweg unverzüglich nach Beendigung des Schneefalls, bei länger anhaltendem Schneefall in angemessenen Zeitabständen, von Schnee zu beräumen, bei Schnee- und Eisglätte unverzüglich mit abstumpfenden Mitteln zu bestreuen ist, was bei Bedarf auch wiederholt werden muss. Eisbildungen, denen nicht ausreichend durch Streuen entgegengewirkt werden kann, sind zu beseitigen. Da jedoch von niemandem verlangt werden kann, dass der Räum- und Streupflicht rund um die Uhr Rechnung getragen wird, entfällt diese nach 20.00 Uhr. Kommt es hingegen über Nacht zu Schneefall oder Glättebildung, ist der Winterdienst bis 7.00 Uhr des folgenden Tages, an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen bis 9.00 Uhr durchzuführen. Gleiches gilt auch für Parkplätze von Supermärkten und anderen Ladengeschäften. Grundsätzlich sind auch diese von Schnee und Eis zu befreien. Eine Pflicht diese vollumfänglich schnee- und eisfrei zu halten besteht hingegen nicht.
5. Wie helfen wir?
Wie der Beitrag gezeigt hat, hängt es vom Zusammenspiel zahlreicher Umstände ab, ob Ihnen Schmerzensgeld zusteht. Es ist stets eine Frage des Einzelfalls und kann keinesfalls pauschal beantwortet werden. Sind Sie gestürzt, geben wir Ihnen gerne eine erste rechtliche Einschätzung Ihres Falles und erörtern mit Ihnen das weitere Vorgehen.
Benötigen Sie hingegen Hilfe weil Sie in Anspruch genommen werden, weil Sie angeblich nicht ausreichend gestreut haben, unterstützen wir auch diesbezüglich gerne mit unserer juristischen Expertise.
Zögern Sie nicht mich ganz unverbindlich und kostenlos zu kontaktieren.
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